Status - Technische Beeinflussbarkeit der Geschmacksache Kaffee

Aus Technische Beeinflussbarkeit der Geschmacksache Kaffee
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Einleitung

Ausgehend von den Projektarbeiten zum Kaffeeröster der Kaffeewerkstatt München entstand zum Wintersemester 2016/17 die Idee, über eine labortechnische Espressomaschine mehr über die technische Beeinflussbarkeit der Geschmacksache Espresso zu erforschen.

Beginnend mit der ersten Bachelorarbeit von Kilian Stach mit dem Titel „Entwicklung einer labortechnischen Mehrkreis- und Mehrkessel-Espressomaschine“ Entwicklung einer labortechnischen Mehrkreis- und Mehrkessel-Espressomaschine [1] konnte zum Wintersemester 2017/18 dieses Vorhaben umgesetzt werden.

Im Zuge der Inbetriebnahme der labortechnischen Mehrkreis- und Mehrkessel-Espressomaschine wurden weitreichende Erkenntnisse gesammelt, die dazu führten, dass ein Forschungsbetrieb dieser Espressomaschine nie erfolgte. Die Erkenntnisse führten zu einer Erfindungsmeldung [12] mit den patentfähigen Merkmalen der kalten Brühgruppe, dem kalten Siebträger, dem Wassermischsystem und dem Borosilikatglasboiler.

Im weiteren Verlauf der Tätigkeiten wurde eine Modellreihe basierend auf der labortechnischen Espressomaschine definiert. Ursprünglich sollten vier Espressomaschinentypen unter der Verwendung möglichst vieler Gleichteile entwickelt werden.

Labortechnische Espressomaschine (Labor und Röster)

Diese Maschine dient der Entwicklung der erforderlichen Regelkreise und soll andere im Markt befindliche Siebträger-Espressomaschinen abbilden können. Damit dient diese Maschine dem Kaffeeröster dazu, dem Kunden die Geschmacksunterschiede unterschiedlicher Espressomaschinen demonstrieren zu können, ohne über die entsprechende Auswahl an Hardware verfügen zu müssen. Diese Maschine benötigt für die Bedienung einen PC.

Bar und Barista

Basierend auf der Laborvariante ausgestattet mit zwei Brühgruppen einer Skalierbarkeit zu noch mehr Brühgruppen, und versehen mit der Parametrierbarkeit aller relevanten Parameter für die Geschmacksbeeinflussung. Allerdings gegenüber der Laborvariante mit eingeschränkter Anzahl an „Profilen“ und einem Touch-Display-Bedienungskonzept.

1,8 Liter Kaffee-Maschine (ehemals Home)

Die Espressomaschine wird als Zweikreissystem mit kalter Brühgruppe, Wassermischer und leistungsgeregelter Vibrationspumpe (alternativ eine Rotationspumpe mit DC-Antrieb) gestaltet. Die Boilergröße beträgt 1,8 Liter bei 1,2 Liter Wasserfüllung mit leistungsgeregeltem Heizelement mit 1800 W Heizleistung [27].
Diese Maschine wurde für TURNUS Espresso GmbH entwickelt und als einmaliger Prototyp bereitgestellt. Innerhalb des Froschungsprojekts wird diese Maschine aktuell nicht weiter verfolgt, zumal die Nutzungsrechte auch bei der TURNUS Espresso GmbH liegen.

Style - Glasboilermaschine

Eigentlich technisch identisch zur Labor-Variante, jedoch mit einem Boiler aus Borosilikatglas (1 Zylinder). Denkbar auch als Barista mit zwei Brühgruppen, welches zwei Borosilikatglasboiler (2 Zylinder) erfordern würde. Im Wintersemester 2020/21 wurde hier eine weitere Variante konstruiert, bei der sich im sichtbaren Bereich lediglich der Glasboiler und der Brühturm befinden. Alle anderen Komponenten wurden so angeordnet, dass sie unsichtbar unterhalb der Arbeitsplatte angeordnet sind.

Allgemeine Konzeptbeschreibung

Basierend auf der Idee eine Siebträger-Espressomaschine zu entwickeln, mit der alle auf dem Markt befindlichen Siebträger-Espressomaschinen abgebildet werden können, ergeben sich für das Maschinenkonzept gewisse Konsequenzen.

Bislang sind als geschmacksbildende Merkmale einer Siebträger-Espressomaschine bekannt:

Geschmacksbildendes Merkmal: Kaffeewasserbezugstemperatur

Um die Kaffeewasserbezugstemperatur beliebig wählen zu können, prinzipiell auch einen Temperaturverlauf über die Kaffeebezugszeit, wurden mehrere Maßnahmen ergriffen.
Alle mit dem heißen Kaffeewasser in Berührung kommenden Bauteile werden aus Materialien hergestellt, welche eine extrem niedrige Wärmekapazität, verbunden mit einer extrem niedrigen Wärmeleitfähigkeit, aufweisen. Diese Bedingung erfüllen viele hochwertige lebensmittelverträgliche Kunststoffe. Aufgrund des Maschinendesigns fließt nicht benötigtes Kaffeewasser in den Maschinenüberlauf. Eine Heißwasserwendel im Dampfboiler stellt für das Kaffeewasser eine Bezugstemperatur > 100 °C sicher. Über einen PID geregelten Wassermischer (Dosierventil) wird die gewünschte Kaffeewasserbezugstemperatur bzw. deren zeitlicher Verlauf mit hoher Genauigkeit erreicht.

Geschmacksbildendes Merkmal: Durchflussrate des Bezugswassers

bestimmt durch den Mahlgrad des Kaffees und der Kraft des Verpressens (Tamperdruck)

Eine PID geregelte Rotationspumpe mit DC Antrieb stellt die gewünschte Durchflussrate bzw. den zeitlichen Verlauf einer Durchflussrate und hierdurch auch die gewünschte Tassenfüllmenge sicher.

Geschmacksbildendes Merkmal: Preinfusion

Darunter wird die Zeitspanne zwischen der ersten Benetzung des Kaffeemehls und dem ersten Austreten von Kaffee aus dem Siebträger verstanden. Diese Zeitspanne wird als Pre-Infusion bezeichnet.

Jedes Gramm Kaffeemehl nimmt ca. 1 Gramm Wasser auf. Über die PID geregelte Rotationspumpe lassen sich mehrere Szenarien abbilden. Die Durchflussrate der ersten X cm3 Wasser kann bei vordefinierter Masse des Kaffeemehls eine abweichende Größe annehmen. Während der ersten X Sekunden des Kaffeebezugs wird anstelle der Durchflussratenregelung eine Max-Druck-Regelung durchgeführt. Erst nach Überschreiten der gewünschten Preinfusiionszeit wird die Durchflussratenregelung aktiv.
Auch Kombinationen dieser Logik sind denkbar. Zu dieser Funktion ist noch Forschung an der zu realisierenden labortechnsichen Espressomaschine erforderlich.

Neben dieser grundlegenden Eigenschaft werden weitere Alleinstellungsmerkmale angestrebt.

Schnelles Aufheizverhalten

Die Verordnung der Europäischen Union Nr. 801 von 2013 [14] mit dem Titel „Festlegung von Ökodesign-Anforderungen an den Stromverbrauch elektrischer und elektronischer Haushalts- und Bürogeräte“ fordert von jedem Haushaltsgerät nach 15minütiger ungenutzter Betriebszeit für die Reduzierung desEnergieverbrauchs die Schaltung in einen Stand-By-Modus. Derzeit erfüllt keine der auf dem Markt befindlichen Siebträger-Espressomaschinen diese Anforderung der EU. Hintergrund ist, dass marktübliche Siebträger-Espressomaschinen in dieser Zeit noch nicht im betriebsbereiten Zustand sind.

Das technische Problem liegt in der Schichtung des Wassers im Boiler. Durch die Anomalie des Wassers weist warmes Wasser eine geringere Dichte als kaltes Wasser auf. Dies führt dazu, dass das heißere Wasser sich über das kältere Wasser im Boiler „aufschichtet“. Diese Schichtung des Wassers wird durch die Wärmeleitung des Boilermaterials erheblich zeitversetzt aufgehoben. Lösungsansatz hierzu ist eine Kaltwasserzuführung oberhalb des üblichen Wasserstands sowie eine Entwässerungsbohrung des Boilers erforderlich. Durch Umpumpen des kalten Wassers wird die Schichtung des Wassers gebrochen. Ein weiterer Lösungsansatz ist, die Dampfleitung so lange offen zu halten, bis dass das Wasser zu „kochen“ beginnt. Durch das Sprudeln des Wassers bei seiner Siedetemperatur erfolgt eine Durchmischung. Durch die Entschichtungsfunktion während der Aufheizphase soll die tatsächliche Aufheizzeit nahe an der theoretisch berechneten Aufheizzeit liegen.

Energieeffizienz

Die Energeieffizienz der Stahl-Boilerkonstruktionen werden durch eine 25 mm vollumfängliche Isolationsschicht ohne Wärmebrücken realisiert. Die Variante mit Borosilikatglasboiler ist in Doppelverglasung ausgeführt. Dies ist neben der Sicherheitsvorkehrung auch eine Verbesserung in der Energieeffizienz.

Verkalkungsschutz

Ein Leitwertsensor erfasst die zugeführte Wasserqualität. Wird Wasser mit zu hoher elektrischer Leitfähigkeit der Espressomaschine zugeführt, so ist dies ein Indiz für zu kalkreiches bzw. anderweitig verschmutztes Wasser. Überschreitet die elektrische Leitfähigkeit einen Grenzwert, dann erscheint ein Warnhinweis in der Maschinensteuerung/Maschinenanzeige. Der weitere Betrieb der Maschine erfolgt auf Risiko des Anwenders. Das Auftreten des Warnhinweises wird in der Machinenelektronik im Fehlerspeicher abgelegt.

Halbautomatisierte Boilerreinigung bzw. Boilerentkalkung

Trotz sorgfältigen Umgangs mit der Wasserzuführung kann es zu Verschmutzung und Verkalkung des Boilers kommen. Für die Reinigung und Entkalkung des Boilers wird ein halbautomatisierter Reinigungsprozess in der Maschinensteuerung hinterlegt.

Es erfolgt ein Abpumpen des Boilerinhalts. Danach wird über einen Bypass in der Wasserversorgung der Boiler mit einer Reinigunsgflüssigkeit befüllt. Über den Füllstandssensor wird 2/3 des Boilervolumens erkannt. Daraufhin wird der Boiler anhand der Durchflussmessung auf 95 % seines Fassungsvermögens weiter befüllt. Je nach Beschaffenheit der Reinigungsflüssigkeit wird der Boiler auf „Reinigungstemperatur“ gebracht. Nach einer noch zu definierenden Reinigungszeit wird der Boiler wieder entleert. Die Entleerung erfolgt ggf. über die mit einem Blindsieb verschlossene Brühgruppe. Hierdurch wird erreicht, dass die Brühgruppe und alle Leitungen ebenfalls in diesen Reinigunsgprozess eingebunden sind.

Nach der Beseitigung der Reinigungsflüssigkeit aus der Maschine erfolgt ein mehrmaliges Durchspülen der Maschine mit kalkfreiem Frischwasser nach dem gleichen Prinzip.

Reinigungsprogramm wie bei vollautomatischen Espressomaschinen

In Siebträger-Espressomaschinen müssen mindestens einmal täglich die öligen Rückstände des Kaffees beseitigt werden. Dies erfolgt über eine „Rückspülung“. Hierzu wird ein Siebträger mit Blindsieb eingespannt. Im Blindsieb befindet sich ein Renigungsmittel. Der Ablauf des Reinigungsprozesses wird durch den Controller der Maschine gesteuert. Das Reinigungsmittel wird durch heißes Wasser aufgeweicht und die entstandene Reinigungsflüssigkeit wird durch die verschmutzten Bauteile gefördert. Es erfolgt zudem eine Durchspülung des Systems. Ob ein Blindsieb eingesetzt ist kann anhand des steigenden Systemsdrucks bei gleichzeitiger „Nullförderung“ erkannt werden. Hierüber kann erkannt werden, ob eine Reinigung mit Rückspülung oder eine einfache Spülung durchgeführt werden soll.

Teewasserbezug mit Wunschtemperatur und Wunschwassermenge

Analog zum Espressobezug ist auch für den Teewasserbezug die Bezugswassertemperatur sowie die Fördermenge frei wählbar.

Abgeschlossene Projekt- und Abschlussarbeiten

In Zusammenarbeit mit der Kaffeewerkstatt-München wurde das Projekt 2016 gestartet. Seit 2020 ist die Kaffeewerkstatt-München nicht mehr Projektpartner. Alle die Erfindungsmeldung betreffenden Rechtsansprüche wurde an Armin Rohnen abgetreten.

Seit dem Start der Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten wurden 46 (siehe Quellen und Dokumente!) Projekt- und Abschlussarbeiten von 114 Studierenden durchgeführt und abgeschlossen. Dabei wurden insgesamt 24.485 Arbeitsstunden investiert, was einer Eintwicklungsleistung von mehr als 2,5 Mio. € bedeutet. Die gewonnenen Erkenntnisse dieser Arbeiten haben wesentlich zur Formulierung der Modellreihe beigetragen. Ebenso wurden weiterführende Aufgabenstellungen daraus formuliert. Auch wenn aus heutiger Sicht die ein oder andere Arbeit nicht für die weitere Entwicklung bzw. Forschung noch Relevanz aufweist, so waren diese Arbeiten für die Entscheidungsfindung der angestrebten Modellvariationen erforderlich.

Ziele und Statusberichte