Wie genau ist ein Messwert?

Aus Technische Beeinflussbarkeit der Geschmacksache Kaffee
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Breites Logoband.png


Jenseits der noch häufig verwendeten analogen Druck- und Temperaturanzeigen zieht immer mehr digitale Technologie in die Espressomaschine ein und ermöglicht bisher ungeahnte Möglichkeiten der Steuerbarkeit des Kaffeebezugs. Doch wie genau ist ein digitaler Messwert?

Um dies schlüssig beantworten zu können, ist zunächst ein Blick darauf zu richten, wie ein digitaler Messwert entsteht. In den meisten Anwendungsfällen ist der Messwert selbst eine elektrische Spannung. In der Espressomaschine werden Widerstände verwendet, die sich durch Temperatureinfluss (Temperatursensor) oder durch Dehnung (Drucksensor und Gewichtssensor) verändern. Wobei letztere zusätzlich eine nicht unkomplizierte mechanische Anbindung an die Druckmessstelle bzw. Gewichtsmessstelle benötigen. Durch zusätzliche Elektronik wird aus der Widerstandsänderung eine Spannungsänderung erzeugt, so dass ein eindeutiger Zusammenhang zwischen zu messender elektrischer Spannung und physikalischer Größe besteht. Über Analog-zu-Digital-Wandler (ADC für Analog-Digital-Converter) wird aus der analogen elektrischen Spannung der digitale Messwert.

Kaffeetassen, Kalibriergewichte und eine Laborwaage wurden benötigt um exemplarisch die Messwertstreuung einer Waage zu ermitteln. (c) Armin Rohnen
Kaffeetassen, Kalibriergewichte und eine Laborwaage wurden benötigt um exemplarisch die Messwertstreuung einer Waage zu ermitteln. (c) Armin Rohnen

Im verwendeten Analog-zu-Digital-Wandler liegt die erste Hürde der Messgenauigkeit. Das Auflösungvermögen des Analog-zu-Digital-Wandlers geht in die erreichbare Messgenauigkeit ein. Im Gegensatz zur analogen Anzeige verfügt Digitaltechnik nicht über eine beliebige Anzahl von Zwischenwerten, sondern über eine definierte Stufenanzahl zwischen dem kleinsten, oft der Wert 0, und dem größten Messwert. Dies wird als Messwertauflösung bezeichnet. Das ist ähnlich zu sehen wie bei einer Treppe, die vom Erdgeschoss über eine bestimmte Anzahl von Treppenstufen in das Obergeschoss führt. Damit ist die Anzahl der Schritte von Erdgeschoss zu Obergeschoss definiert, ebenso der Höhengewinn je Stufe. Wer allerdings halbe (Treppen)Stufen benötigt wird auf der Treppe stolpern, denn die gibt es nicht.

Die meisten Mikroprozessoren in den Steuerungen der Espressomaschinen verwenden sogenannte 12-Bit-ADCs. Diese teilen den Messbereich in 212 = 4096 Stufen auf. Bezogen auf einen Temperaturmessbereich von 0 bis 150 °C ergibt sich eine Messwertauflösung von 0,0366 °C. Damit kann der z. B. Messwert 36,6 °C ermittelt werden. Dies allerdings mit einer Abweichung von 0,02 °C, weil die Stufung (Messwertauflösung) nunmal den exakten Wert 36,6 °C nicht ermöglicht. Bezogen auf den Druckmessbereich des Dampfboilers mit 0 bis zum Auslösedruck des Überdruckventils von 2,5 bar, ergibt sich eine Messwertauflösung von 0,6 mbar. Beim Förderdruck, der im Extremfall 16 bar einnehmen kann, sind es 4 mbar.

Problematischer wird es bei der Bestimmung der Kaffeemenge durch Wiegen. Zwar wird hier effektiv betrachtet lediglich eine Kaffeemenge bei Zweitassenbezug von allerhöchstens 150 g (zwei großzügige Lungo) erreicht, jedoch muss ein Teil der Waagenmechanik und das Tassengewicht mitgewogen werden. Der Messbereich des Sonsors ist daher weit größer als das Messergebnis suggeriert. Der Messbereich eines Wiegesensors von 1000 g, der grenzwertig niedrig ist, erreicht bei einem 12-Bit-ADC eine Messwertauflösung von 0,25 g.

Reicht die Messwertauflösung nicht aus, was beim Wiegen z.B. der Fall ist, wird ein Analog-zu-Digital-Wandler mit mehr Auflösung, also mehr Bits, verwendet. Allerdings steigt damit auch der Preis für den Baustein. So kostet ein 16-Bit-ADC, der 65536 Messwertstufen ermöglicht, das 3-Fache eines 12-Bit-ADCs.

Die mehr Bits der Analog-zu-Digital-Wandlung erfordern dann auch eine „bessere“ Elektronik und eine „bessere“ mechanische Anbindung. Nur wenn die gesamte Messkette, beginnend bei der Sensoranbindung an die Espressomaschine, über den Sensor selbst und über die Elektronik bis hin zur Digital-Wandlung, entsprechend sorgfältig und präzise ausgeführt ist, führt die bessere Messwertauflösung zu genaueren Messwerten.

Ein Rest Ungenauigkeit bleibt immer und dies nicht nur weil die reale technischen Umsetzung gerade mal so gut wie nötig ausgeführt wird. Die Messgenauigkeit (eigentlich Messunsicherheit - engl. uncertain measurement) wird in zwei Klassen unterteilt, dem systematischen Messfehler und der Messwertstreuung.

Der systematische Messfehler kann durch präzise Überprüfung reproduzierbar ermittelt werden. Ein Beispiel dazu ist die Linearität der Messvorrichtung. Wird z. B. bei einer Waage für den Messwert 500 g die Spannung 1 Volt ermittelt, dann müsste bei korrekter Linearität für den Messwert 2000 g sich eine Spannung von 2 Volt ergeben. Die Messung von 1,98 Volt für 1000 g weicht um 20 Millivolt vom eigentlich zu erwartenden Spannungswert 2 Volt ab. In diesem Beispiel liegt also ein Messfehler von 20 Millivolt vor, der sich als Messwertabweichung von 10 g bemerkbar macht. Da dies ermittelbar ist, kann es auch auf den wahren Messwert korrigiert werden. Der hierzu erforderliche Aufwand wirkt sich allerdings auf den Kaufpreis der Maschine aus.

Der Messfehler aus obigen Beispiel entspricht übrigens einer Messgenauigkeit von 1 %. Was für sich betrachtet eine sehr geringe Messunsicherheit darstellt.

Alles was als nicht korrigiertem systematischen Messfehler übrig bleibt sowie die gesamten sporadischen Messfehler werden als Messwertstreuung zusammengefasst. Mit dieser Messunsicherheit muss der Nutzer dann leben. Der sporadische Messfehler kann vielfältige Ursachen wie Reibung, Temperatur, Handy oder andere elektromagnetische Strahlung, Schwankung in der Versorgungsspannung, usw. haben. Er lässt sich jedoch nicht konkret ermitteln bzw. das Ermittelte lässt sich nicht durch vertretbaren Aufwand beseitigen. Was übrig bleibt, ist die Ermittlung der (Rest)Messunsicherheit welche ich anhand zweier Wägeversuche exemplarisch durchgeführt habe. Damit dies kein Produkttest wird, habe ich eine im Labor verwendete Laborwaage mit einem Messbereich von 1200 g bei einer Messwertauflösung (Anzeigegenauigkeit) von 0,1 g und eine übliche Küchenwaage mit einem Messbereich von 6000 g und 1 g Messwertauflösung verwendet.

Für die Versuche mit den beiden Waagen wurden mehrere vorhandene Cappuccinotassen und Prüfgewichte verwendet. Die Cappuccinotasse wurde vorsichtig auf die Waage gestellt. Durch drücken des Tara-Knopfes wurde die Waage auf 0 gestellt und durch aufbringen der Prüfgewichte ein Kaffeebezug simuliert. Dabei wurden die Anzeigewerte für 20 g, 40 g, 45 g und 50 g Prüfgewicht (Kaffeebezug) ermittelt. Die Prüfgewichte stellen in diesem Versuch das wahre Kaffeegewicht dar, zu denen die jeweilige Waage einen Messwert liefert. Die Prüfgewichte selbst weisen eine Messunsicherheit von 0,0125 % auf, welches durch Kalibrierzertifikat belegt ist. Der Versuch wurde mehrfach wiederholt, so dass für jede Waage 200 Messwerte und deren Abweichungen zum korrekten Messwert bestimmt wurden. Das lässt sich im weiteren statistisch auswerten, so dass eine gesicherte Aussage zur Messunsicherheit der beiden Waagen getroffen werden kann.

Häufigkeitsverteilung der Messwertabweichungen aus der Messreihe zur Laborwaage. (c) Armin Rohnen
Häufigkeitsverteilung der Messwertabweichungen aus der Messreihe zur Laborwaage. (c) Armin Rohnen

Für die Laborwaage ergibt die statistische Auswertung der Messwerte eine mittlere Abweichung von -0,07 g vom wahren Messwert. Betrachtet man die Verteilung (Streuung) der Messwertabweichungen kann man feststellen, dass 95,5 % aller Messwerte zwischen -0,59 g und 0,45 g vom wahren Messwert abweichen. Das bedeutet unter der Bedingung, dass die wahren Messwerte um ungefähr 1 g (+/- 0,5 g) untereinander abweichen können. Allerdings trifft diese Aussage nur für 95,5 % aller Messungen zu. Damit weichen 5 von 100 Tassen Kaffee noch weiter ab. Dies ist um den Faktor 10 schlechter als die angegebene Messwertauflösung der Waage. Berechnet wird dies anhand der von Carl Friedrich Gauß 1809 publizierten Normalverteilung.

Betrachten man nun die Küchenwaage, welche eine Messwertauflösung von 1 g aufweist, so ergibt sich hier eine mittlere Abweichung von -0,75 g bei einer Streuung von -8,1 g bis 6,5 g vom wahren Messwert. Bei dieser Waage können die Messwerte um fast 15 g voneinander Abweichen, was ein Faktor von 15 schlechter ist als die Messwertauflösung.