Einfluss von Temperatur auf Bauteilfestigkeit: Unterschied zwischen den Versionen
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Im zweiten Teilversuch wurde die Festigkeit des Materials direkt bei erhöhter Temperatur untersucht. Laut Datenblatt liegen die relevanten Kennwerte bei HDT/B ≈ 115 °C, VICAT A ≈ 160 °C und einer Schmelztemperatur von 180–200 °C. Da 3D-gedruckte Proben erfahrungsgemäß empfindlicher reagieren als Spritzgussteile, wurde eine Prüf-Temperatur von 135 °C gewählt. Dieser Wert liegt deutlich über der HDT/B-Grenze, bleibt aber unterhalb von VICAT A und spiegelt gleichzeitig die maximalen Betriebsbedingungen eines Kaffeemaschinen-Boilers (≈ 130 °C) wider. | Im zweiten Teilversuch wurde die Festigkeit des Materials direkt bei erhöhter Temperatur untersucht. Laut Datenblatt liegen die relevanten Kennwerte bei HDT/B ≈ 115 °C, VICAT A ≈ 160 °C und einer Schmelztemperatur von 180–200 °C. Da 3D-gedruckte Proben erfahrungsgemäß empfindlicher reagieren als Spritzgussteile, wurde eine Prüf-Temperatur von 135 °C gewählt. Dieser Wert liegt deutlich über der HDT/B-Grenze, bleibt aber unterhalb von VICAT A und spiegelt gleichzeitig die maximalen Betriebsbedingungen eines Kaffeemaschinen-Boilers (≈ 130 °C) wider. | ||
Die aufgewärmten Proben wurden unmittelbar nach dem | Die aufgewärmten Proben wurden unmittelbar nach dem entnehmen aus dem Ofen geprüft, um ein reales Aufheiz-/Abkühlprofil des Werkstoffs abzubilden. Dank eines längeren Labor-Slots konnten Zug- und Schlagbiegeversuche am selben Tag durchgeführt werden, sodass mögliche Alterungseffekte zwischen Erhitzen und mechanischer Prüfung ausgeschlossen sind. | ||
Mit diesen beiden Versuchsreihen lassen sich sowohl langzeitige thermische Einflüsse als auch unmittelbare Hochtemperatur-Belastungen beurteilen. | Mit diesen beiden Versuchsreihen lassen sich sowohl langzeitige thermische Einflüsse als auch unmittelbare Hochtemperatur-Belastungen beurteilen. | ||
Version vom 20. Juni 2025, 19:35 Uhr
Ziel und Hintergrund, Maximilian Wimmer, 20.06.2025
Da Bauteile in Kaffeemaschinen typischerweise erhöhten Temperaturen ausgesetzt sind, wird in diesem Arbeitspaket die Temperaturbeständigkeit des verwendeten Materials untersucht. Zunächst erfolgt eine Thermische Festigkeitsprüfung über eine Erhitzung des Bauteils und eine anschließende Mechanische Prüfung. Ebenso wird geprüft, ob wiederholte thermische Zyklen (Erhitzen und Abkühlen) strukturelle Veränderungen oder Stabilitätsverluste hervorrufen. Geplant ist hierfür eine kombinierte Prüfung mit Wasseraufnahme, durch ein heiße Wasserbad, um möglichst realitätsnahe Belastungen zu simulieren.
Versuchsaufbau und Versuchsablauf
Versuchsaufbau
Zur Untersuchung des Einflusses von Temperatur waren insgesamt neun Probekörper pro Versuch geplant, aufgeteilt in drei Gruppen:
- 3 flach gedruckte Zugproben
- 3 hochkant gedruckte Zugproben
- 3 Schlagbiegeproben
Die Proben wurden vor den Versuchen vermessen (Länge, Breite, Höhe) und gewogen, um potenzielle Veränderungen in Geometrie oder Masse im Nachgang identifizieren zu können.
Versuchsablauf
Um die thermische Belastbarkeit der 3D-gedruckten Bauteile realitätsnah abzuschätzen, wurden zwei unterschiedliche Versuchsszenarien durchgeführt.
Wiederholte thermische Zyklen
Zunächst wurden zyklische Temperaturwechsel simuliert, wie sie während dem Nutzungsverlauf in einer Kaffeemaschine auftreten. Die Proben wurden zwanzigmal hintereinander für jeweils fünf Minuten in kochendem Wasser (≈ 100 °C) gehalten und anschließend etwa zehn Minuten an Umgebungsluft langsam, um keinen Thermoshock zu verursachen, abgekühlt. Dieser Langzeit-Zyklus dient dazu, potentielle strukturelle Veränderungen, wie Layer-Delamination oder einen graduellen Verlust der Steifigkeit, frühzeitig zu erkennen.
Thermisches Aufheizen
Im zweiten Teilversuch wurde die Festigkeit des Materials direkt bei erhöhter Temperatur untersucht. Laut Datenblatt liegen die relevanten Kennwerte bei HDT/B ≈ 115 °C, VICAT A ≈ 160 °C und einer Schmelztemperatur von 180–200 °C. Da 3D-gedruckte Proben erfahrungsgemäß empfindlicher reagieren als Spritzgussteile, wurde eine Prüf-Temperatur von 135 °C gewählt. Dieser Wert liegt deutlich über der HDT/B-Grenze, bleibt aber unterhalb von VICAT A und spiegelt gleichzeitig die maximalen Betriebsbedingungen eines Kaffeemaschinen-Boilers (≈ 130 °C) wider.
Die aufgewärmten Proben wurden unmittelbar nach dem entnehmen aus dem Ofen geprüft, um ein reales Aufheiz-/Abkühlprofil des Werkstoffs abzubilden. Dank eines längeren Labor-Slots konnten Zug- und Schlagbiegeversuche am selben Tag durchgeführt werden, sodass mögliche Alterungseffekte zwischen Erhitzen und mechanischer Prüfung ausgeschlossen sind.
Mit diesen beiden Versuchsreihen lassen sich sowohl langzeitige thermische Einflüsse als auch unmittelbare Hochtemperatur-Belastungen beurteilen.
Dokumentation und Beobachtungen
Wiederholte thermische Zyklen
Bereits während der ersten Zyklen aus Aufheizen und Abkühlen bildeten sich auf den Bauteiloberflächen feine, weiße Ablagerungen. Dabei handelt es sich um Kalkflecken: Das Kochwasser war nicht entmineralisiert, sodass sich gelöste Calcium- und Magnesiumsalze beim Verdampfen ausfällten. Die Ausprägung ist kein Hinweis auf eine besondere Kalkanfälligkeit des Kunststoffs, sondern ein übliches Phänomen in hartem Leitungswasser.
Deutlich auffälliger waren die geometrischen Veränderungen. Die hochkant gedruckten Zugproben verlängerten sich nach 20 Zyklen um etwa 1,5 – 2 cm und zeigten eine leichte Durchbiegung, die zuvor nicht vorhanden war [Bild 1].
Umgekehrt schrumpften die flach gedruckten Zugproben sowie die Schlagbiegeproben geringfügig, ihre Länge verringerte sich um etwa 0,5 cm. Diese entgegengesetzte Richtungsausdehnung lässt sich aufgrund der Schichtorientierung erklären. Hochkant gedruckte Proben sind in Z-Richtung weniger dicht gepackt und können sich bei Erweichung unter Eigengewicht strecken, während flach gedruckte Proben vor allem innenliegende Druckspannungen abbauen und deshalb etwas zusammenschrumpfen. Das Gesamtgewicht blieb bei allen Proben unverändert, womit kaum Feuchteaufnahme oder Materialverlust stattfand. Die beobachteten Längenänderungen lassen sich also auf einen Thermischen Einfluss zurückverfolgen.
Die hochkant gedruckten Bauteile wiesen nach den 20 Zyklen eine ausgeprägte Sprödigkeit auf. Eine Zugprobe zerbrach bereits während des Transports, eine weitere brach beim Einspannen in die Prüfmaschine. Bei den flach gedruckten Proben ließ sich dieser Sprödigkeitsgrad hingegen nicht beobachten.
Thermisches Aufheizen
Während der Aufwärmung im Ofen bei 135 °C erweichte GreenTEC Pro so stark, dass die Proben mit höchster Vorsicht entnommen werden mussten. Ein halten des Kunststoffes in der Mitte der Zugprobe führte sofort zu sichtbaren Verbiegungen an den enden des Bauteils. Die hochkant gedruckten Zugstäbe waren besonders empfindlich. Alle drei brachen beim Herausnehmen unter ihrem eigenen Gewicht, bevor sie die Prüfmaschine erreichten. Diese Beobachtung zeigt bereits, dass der Werkstoff oberhalb der HDT-Temperatur zwar nicht schmilzt, aber nahezu jede strukturelle Steifigkeit verliert und ohne äußere Stabilisierung seine Form nicht mehr halten kann.
Laborversuche
Wiederholte thermische Zyklen
Zugversuche
Die flachgedruckten Zugproben wurden zuerst untersucht. Anzumerken ist das die Versuchsreihen für die thermischen Zyklen "Langzeit Wasseraufnahme" heißen, es handelt sich hierbei um die richtigen Ergebnisse der Name Wiederholte thermische Zyklen wurde jedoch erst später im Projekt festgelegt da er zutreffender ist. Die Daten der Prüfungen finden sich in [Bild 2] sowie die Spannungs-Dehnungsdiagramme in [Bild 3] und [Bild 4].
Eine genauere Gegenüberstellung der Daten findet sich in [Tabelle 1]:
| Parameter | Ohne Einfluss | Nach therm. Zyklen | Veränderung |
|---|---|---|---|
| E-Modull Et (MPa) | ~3829 | ~2547 | ↓ ca. 33,5 % |
| Streckgrenze σy (MPa) | ~40,5 | ~29,3 | ↓ ca. 28 % |
| Bruchspannung σb (MPa) | ~32 | ~28 | ↓ ca. 12,5 % |
| Technische Bruchdehnung εtb (%) | 3,3 | 2 | ↓ ca. 40 % |
Die thermische Alterung zeigt für die zwei unterschiedlichen Zugprobearten unterschiedliche Bilder. Innerhalb der Schichten beim Flachgedruckten Bauteil (XY-Richtung) bewirken die Heiz-/Abkühlzyklen einen deutlichen Rückgang von Steifigkeit und Festigkeit, das Elastizitätsmodul sinkt um gut 33,5 %, auch die Bruchspannung sinkt. Das Material wird also etwas weicher, aber nicht spröder. In Schichtrichtung beim Hochkantgedruckten Bauteil(Z-Richtung) zeigt sich ein anderes Ergebnis. Die zwischen-layer Haftung bricht beinahe vollständig weg, sodass die Probe nahezu ohne Verformung versagt, es zeigt sich ein ausgesprochen sprödes Verhalten.
Damit bildet sich ein sehr Interessantes Ergebnis, GreenTEC Pro altert durch zyklische Temperaturbelastung in der Ebene eher duktiler, verliert aber senkrecht zur Schichtrichtung drastisch an Zähigkeit. Für Bauteile, die regelmäßig großen Temperaturwechseln ausgesetzt sind, muss deshalb sowohl die Druckorientierung sorgfältig berücksichtigt werden.
Schlagbiegeversuche
Die Schlagbiegeversuche wurden unter den gleichen Konditionen wie die Zugversuche durchgeführt. Die Ergebnisse der Prüfungen finden sich in [Bild 5].
Nach rund zwanzig Temperaturwechseln kam es bei allen drei Schlagbiegeproben das erste mal zu einem vollständige Bruch (Versagensart C). Die Kerbschlagzähigkeit lag nur noch bei rund 8,4 kJ/m², deutlich unter den 10 kJ/m² der unbeeinflussten Proben. Auch die Schlagarbeit pro Kerblänge sank auf rund 21 J/m im Gegensatz zu den rund 25 J/m ohne Einflüsse.
Das Ergebnis zeigt erneut, dass bei wiederholten thermischen Zyklen die Proben deutlich spröder werden können. Das Material nimmt weniger Energie auf und versagt nun durch vollständiges Durchbrechen statt durch einen Scharnierbruch.
Fazit
Die Versuchsreihe bestätigt, dass GreenTEC Pro unter häufigen Heiz-/Abkühlzyklen vor allem in Schichtrichtung deutlich an Zähigkeit verliert, während Bauteile in der Druckebene weicher werden aber ihre Funktionsfähigkeit größtenteils behalten. Damit ist die Druckorientierung ein essenzielles Konstruktionskriterium, Belastungsrelevante Strukturen sollten möglichst in XY-Richtung ausgerichtet, falls sie zyklischer Hitze ausgesetzt sind.
Thermisches Aufheizen
Zugversuche
Wie bereits erwähnt, wurden ausschließlich die flach gedruckten Zugproben untersucht, da die in Z-Richtung gedruckten Proben bereits vor den Versuchen brachen. Ebenso konnte der Erste Versuche wegen einem Technischen Problem nicht aufgenommen werden und musst abgebrochen werden. Die Prüfdaten sind in [Bild 6] dargestellt, das zugehörige Spannungs-Dehnungs-Diagramm in [Bild 7].
Eine genauere Gegenüberstellung der Daten findet sich in [Tabelle 1]:
| Parameter | Ohne Einfluss | Nach Erhitzung | Veränderung |
|---|---|---|---|
| E-Modull Et (MPa) | ~3829 | ~67,5 | ↓ ca. 98 % |
| Bruchspannung σb (MPa) | ~32 | ~3,55 | ↓ ca. 89 % |
| Technische Bruchdehnung εtb (%) | 3,3 | 90,5 | ↑ ca. 2640 % |
Die einmalige Aufheizung der Proben auf 135 °C, führt zu einer drastischen Änderung des Werkstoffverhaltens. Das Elastizitätsmodul bricht von zuvor rund 3 800 MPa auf Werte um 70 MPa ein, die Bruchspannung sinkt parallel um ca. 89% des ursprünglichen Wertes. Auch die Bruchdehnung zeigt eine erhebliche Änderung von rund 2640%.
Das Material verliert damit nahezu seine gesamte Steifigkeit und Festigkeit, verhält sich aber hoch-duktil. Die Prüfkörper lassen sich über große Längen strecken, ohne sofort zu reißen.
In der Praxis bedeutet dies, dass Bauteile aus GreenTEC Pro bei Temperaturen im Bereich von 130–140 °C zwar nicht spröde brechen, jedoch praktisch keine tragende Funktion mehr erfüllen und sich stark verformen.
Schlagbiegeversuche
Die Schlagbiegeversuche wurden unter den gleichen Konditionen wie die Zugversuche durchgeführt. Die Ergebnisse der Prüfungen finden sich in [Bild 8].
Nach dem Ofendurchlauf zeigten die Schlagbiegeproben ein vollkommen anderes Verhalten als in allen vorherigen Schlagbiegeprüfreihen. Der 5-J-Hammer schlug die Proben von der Prüfstation ohne jegliche Veränderung am Bauteil zu bewirken. Da der Hammer keinen Bruch verursacht und lediglich die Proben nach hinten schleudert, entwertete der Computer jeden Prüfversuch als Fehlversuch.
Die Aufgeheizten Prüfkörper speicherten die Schlagenergie elastisch, ohne das es zu einem Plastischem Bruch kommt. Das Ergebnis bestätigt die Beobachtungen aus dem Zugversuch, bei etwa 135 °C verliert GreenTEC Pro seine Steifigkeit fast vollständig und verhält sich gummiartig. Unter solchen Bedingungen trägt das Material keine strukturelle Last mehr, sondern wirkt lediglich als federnder Körper.
Fazit
Die Tests belegen eindeutig, dass GreenTEC Pro bei einer einmaligen Erwärmung auf 135 °C seine mechanische Tragfähigkeit verliert. Unter dieser Temperatur verhält sich das Material gummiartig: Es verformt sich stark, speichert Schlagenergie elastisch und liefert im Zugversuch kaum noch Festigkeitswerte. Damit ist der Kunststoff in diesem Temperaturbereich konstruktiv nicht mehr einsetzbar.
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass im Boiler der Kaffeemaschine nicht nur hohe Temperaturen, sondern zugleich Drücke von etwa 1300 – 1500 mbar anliegen. Die Prüfkörper wurden ausschließlich temperaturbelastet und anschließend Mechanische geprüft, eine Druckbelastung bei dieser Temperatur fand nicht statt. Das reale Zusammenspiel von Temperatur mit Druck könnte daher zu abweichenden Resultaten führen. Trotzdem zeigt der Versuch, dass GreenTEC Pro bei Temperaturen von 135 °C keinerlei strukturelle Sicherheit mehr bietet und in druckbelasteten Bereichen konsequent unterhalb dieser Temperaturgrenze eingesetzt werden sollte.

